Zivilschutz in Zofingen – Das kann ja Heiteren werden

15. Juli 2011 at 11:36 (Life of shin) (, , , , , , , , , , )

Diese Woche brach ein heftiges Gewitter über die Schweiz herrein und mittendrin befand sich mein Wohnort Zofingen. Die letzten beiden Tage verbrachte ich im Zivilschutz damit Strassen zu räumen, Hirsche zu treiben und Bäume zu zersägen.

Aber kommen wir erst einmal zur Chronologie dessen, wie mein erster echter Zivilschutzeinsatz von Statten ging.

12.07.2011

Der Abend davor:

Der Wetterbericht hatte bereits ein Gewitter in der Region angekündigt und Blitzgeil wie ich bin, freute ich mich bereits auf das Gewitter. Aufgrund der enormen Luftfeuchtigkeit wartete ich nur darauf, dass endlich ein Regenschauer die Gnade besitzen würde die schwüle Luft abzukühlen.
Um 21 Uhr machte sich jedoch Ernüchterung breit. Kein Tropfen schien in Zofingen herunter gekommen zu sein, ein Blick auf den Regenradar  machte es jedoch deutlich.

Wir wurden verfehlt.

Die Gewitterfront war sowohl nördlich als auch südlich von Zofingen vorbeigerauscht.

Müde und fertig legte ich mich ins Bett um etwas Schlaf zu bekommen, falls mich die Hitze überhaupt lassen würde.

13.07.2011

Das Unwetter:

Um 1 Uhr Morgens wurde ich aus dem Bett geschreckt, weil mein Zimmer immer und immer wieder von Blitzen erleuchtet wurde. Vor dem Fenster spielten sich Szenen ab, die ich so seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der Regen bliess seitlich und der Wind peitschte durch die Strassen.
Der Himmel war durchzogen von Wolken und in Ihnen wogte ein wahres Meer an Blitzen welche unaufhörlich durch den Himmel schossen. Seltsamerweise war jedoch ausser dem Toben des Windes und einem ruhigen Grollen nicht ein Donner zu hören.

Der Sturm tobte vielleicht noch 10 Minuten weiter, während ich versuchte wieder einzuschlafen und dies schlussendlich auch tat.

Der Morgen danach:

Um 6 Uhr Morgens weckte mich mein Wecker unsanft und beim ersten Blick aufs Handy (A.K.A Wecker) entdeckte ich zwei SMS welche ich in der Nacht um 4:30 Uhr erhalten hatte.

Zivilschutz – Einrücken – Sturmschäden.

Ich hielt dies zuerst für einen Scherz, aber als sich herausstellte, dass die Nummer wirklich der örtlichen Polizei gehörte packte ich meine Sachen, fuhr ins Büro um die VIP-Hotline zu hinterlegen und informierte meine Mitarbeiter, dass ich den Tag im Zivilschutz verbringen würde.

Bei meiner Firma waren schon die ersten Sturmschäden zu sehen. Einer der Bäume war umgestürzt und hatte ein Teil des Zauns erschlagen. Ebenfalls hatte ein Gebäude nun einen ernsthaften Dachschaden, da einige Ziegel fehlten.

Bei der Zivilschutzanlage sah es nicht viel besser aus. Bevor der Zivilschutz ausrücken konnte, mussten sie erst einmal einen umgestürzten Baum entfernen, welche den Zugang zum Bunker komplett versperrt hatte.
Als ich um 6:30 Uhr eintraf (immerhin 2 Stunden NACH der Alarmierung) war der Baum bereits entfernt und ich rückte zusammen mit den restlichen Nachzügern aus.

Wir fuhren an umgestürzten Bäumen, verwehten Trampolins und zig kleineren Sturmschäden vorbei und sahen bei der Garage Galliker, wozu der Sturm wirklich fähig gewesen war.
Ein Teil des Daches war heruntergekommen und hatte 5 Autos unter sich begraben. Das Lagerhaus der Landi hatte es noch schlimmer erwischt.

Nahezu das ganze Dach war weggeweht und hatte die Umgebung beschädigt, der Lagerinhalt stand unter Wasser.
Hier waren jedoch bereits Feuerwehr und unsere Kameraden im Einsatz. Uns zog es zum Wahrzeichen Zofingens. Dem heiteren Berg.

Das Heiteren:

Auf dem Hausberg Zofingens, wo in 3-4 Wochen das Heiteren-Musikfestival mit ca. 30 000 Besuchern stattfinden sollte, tat sich ein erschreckendes Bild auf. Auf dem Heiteren selbst stand kaum noch ein Baum vollständig da.
Linden welche von 50 bis hin zu stolzen 250 Jahre Wind und Wetter getrotzt hatten, lagen entwurzelt, abgeknickt oder sogar längs zweigeteilt auf dem Heiteren und boten ein Bild der Verwüstung.

Auch der Hirschpark beim Heiteren war auf den ersten Blick übel zugerichtet. Kaum ein Gehege, welches nicht durch einen Baum oder grossen Ast ein Loch in den Zaun gerissen hatte.
Die Hirsche hatten sich versteckt oder waren in andere Gehege ausgebüxt. Parkmitarbeiter bewachten die Löcher im Käfig und das Wildschwein freute sich wie Sau über die Kastanien welche an dem Ast hingen, welches in ihr Gehege gefallen war.

Hier begann für uns die Arbeit. Die Wege mussten von Baumresten (halbe Bäume trifft es eher) bereinigt werden. Äste, Blätter, tote Vögel. Alles lag auf den Wegen und wurde zur Seite geschoben, damit die lädierten Zäune notdürftig repariert werden konnten. Das Heiteren musste abgesperrt werden, damit nicht noch mehr Schaulustige das Areal durchwanderten, wo immer mit herabstürzenden Baumresten zu rechnen war.

Auf dem Friedhof hinter dem Hirschpark, hatte der Sturm ebenfalls seine Spuren hinterlassen. Zwar war kein Grab umgefallen, aber der Grabschmuck und die Blumen lagen in der Gegend zerstreut. Die Gehege des Hirschparks waren löchriger als ein schweizer Käse und es war unmöglich alle Bäume zu entfernen, bis es dunkel werden würde.
Damit die Hirsche nicht endgültig flüchten, musste ein Plan B her.

Die Parkmitarbeiter verteilten sich links und rechts im unteren Gehege, wir Zivilschützer kämpften uns durchs Gehölz und versuchten die Hirsche und ihre Jungen in ein anderes Gehege zu scheuchen, welches bereits repariert war.

Danach ging es zurück in die Kommandozentrale der Feuerwehr Zofingen, welche zum bersten gefüllt war. Feuerwehr, Sanität, Wehrfeuerwehr der Firma Siegfried, Polizei, Ambulanz, Zivilschutz. Alles war vertreten und genoss das Abendessen welches bereits das Mittagessen gewesen war. Hörnli… mampf 🙂

14.07.2011

Es geht weiter:

Auch am Donnerstag mussten wir erneut ausrücken. Dieses Mal gings darum die unzähligen Waldwege von umgestürzten Bäumen zu bereinigen. Es ist beeindruckend wie scheissegal es manchen Leuten sein kann, dass Wege abgesperrt sind, Leute mit Kettensägen hantieren und eine nicht unerhebliche Gefahr besteht von herunterfallenden Ästen getroffen zu werden, wenn man mit seinem Köter spazieren gehen will.

Amüsant waren jedoch, gewisse ältere Zeitgenossen, welche sich darüber enervierten, wieso seine Waldwege bitteschön noch nicht geräumt seien. Dies sei kein Zustand und dürfe einfach nicht sein. (Naja. Bei rund 100 Leuten im Einsatz bei allein 1300 Notrufen innerhalb der ersten Stunde, kann man ja wohl auch erwarten, dass die schönen Waldwege nach 14 Stunden ja alle schon geräumt seien, n’est ce pas?)

Den gesamten Donnerstag verbrachte meine Gruppe nun damit die Waldwege zu räumen und kurz vor Feierabend mussten wir nochmal kurz raus um einen Ast zu räumen.
Dieser „Ast“ war jedoch eher ein halber Baum, welcher einem Anwohner direkt in den Vorgarten gestürzt war und den Kindergarten blockierte.

Während wir diesen Baum räumten, räumten wir Zeitgleich noch eine Tanne aus dem Weg. Manche Bäume konnten wir jedoch beim besten Willen nicht ohne Hilfe des Forstamtes räumen.

Nach 2 Tagen im Zivilschutz, 20 entfernten Bäumen, 1 gefangenem Truthahn, 3 gejagdten Hirschen und 21 Stunden Einsatz (für 10 CHF Entlohnung, danke liebes Militär) gäbe es noch viel zu tun, aber die Arbeitgeber liefen bereits sturm und wollten ihre Mitarbeiter zurück haben.

Das schlimmste ist überwunden und auch wenn Zofingen am härtesten getroffen wurde und besonders das Heiteren einen herben Schlag erlitten hat. Die Sache ging glimpflich davon. Es gab keine Todesopfer und keine bekannten Verletzten.

Wäre das Unwetter während dem Heiteren Festival über Zofingen gerauscht, hätte dort oben innerhalb von 20 Minuten ein Massaker stattgefunden.

Hier noch meine Fotos welche ich in Pausen und während der Verschiebung machen konnte um ein Beispiel der Lage zu vermitteln.

https://www.facebook.com/media/set/?set=a.2242364745457.135674.1438249203&l=ecadd71a46

(funny fact. Ich habe bei nahezu allen Videoaufnahmen keinen einzigen Zivilschützer auf den Aufnahmen gesehen. Man könnte meinen man wollte uns bewusst nicht bei der Arbeit zeigen, wenn wir doch endlich mal was sinnvolles leisten ;))

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